Neudorf ist mit über 40.000 Einwohner*innen das größte Quartier der Stadt Straßburg [1]. Der Kern des Viertels macht seinem Namen dennoch alle Ehre: die Route de Polygone durchzieht das Quartier als Hauptachse, sie verbindet die wichtigsten Punkte des täglichen Lebens. Zwischen dem Marktplatz mit seinem Café, dem Place de la Ziegelau, wo sich Menschen zum Pétanque-Spiel und Austausch treffen, und dem Monoprix-Supermarkt bildet sich eine Art „Dorfkern”, wo sich ein vertrautes Gemeinschaftsleben abspielt. Einige alteingesessene Bewohner*innen sind jeden Tag aufs Neue an den gleichen Treffpunkten zu finden, viele von ihnen sprechen untereinander Elsässisch oder mit uns auch auf Deutsch. Der gut situiert wirkende Stadtteil weist eine hohe Altersstruktur auf, doch auch junge Familien werden aufgrund der Innenstadtnähe vom Viertel angezogen. Kulturangebote wie die Mediathek, das „Scala”-Theater oder der alternative Veranstaltungsort „Maison Bleue” bieten ein abwechslungsreiches Programm für alle Altersgruppen.
Dieser erste Eindruck ist jedoch keineswegs vollständig, ein paar Straßenzüge vom Quartierszentrum entfernt ändert sich das Bild. Die im nördlichen Zentrum gelegenen Einfamilienhäuser, Geschäfte und Kneipen werden zur Innenstadt hin durch eine neue, aufwändig gestaltete Promenade abgelöst. Am Quai Jeanne Helbling ist in den letzten Jahren das Einkaufszentrum „Rivetoile” entstanden, schicke Cafés wurden eröffnet und auf dem ehemaligen Hafengelände neuer Wohnraum geschaffen. Hin zu den südlichen und östlichen Rändern des Quartiers dominieren dagegen große Wohnsiedlungen und Industrie. Durch die Nähe zur Innenstadt sowie nach Kehl ist Neudorf ein beliebtes Wohnviertel und wird von lebendigen Verkehrsachsen durchzogen, auch die Tram und Fahrräder spielen eine wichtige Rolle.
Neudorf – ein Quartier zwischen Tradition und Wandel
Alltagsleben in Neudorf
Die historische Entwicklung des Quartiers
Das Quartier wird durch den Rhein-Rhône-Kanal im Norden von der Innenstadt abgegrenzt. Im Osten schließt sich der Stadtteil Port du Rhin an, wo mit der Brücke „Pont de l'Europe" auch eine Anbindung und symbolische Nähe zu Deutschland geschaffen wurde. Die historische Bahnlinie zwischen Straßburg und Kehl bildet die südliche und westliche Grenze des Quartiers.
Bis zum Ersten Weltkrieg befand sich Neudorf außerhalb der Befestigungsanlagen von Straßburg. Vor dem 19. Jahrhundert war die vorherrschende Wiesenlandschaft von den Überschwemmungen des Rheins geprägt, Mühlen und Ziegeleien verwendeten die lehmigen Böden. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie im Jahr 1861 nach Kehl und durch einen verbesserten Hochwasserschutz wurde das Gebiet zunehmend als Wohnraum erschlossen; Fabriken wurden aus dem Stadtzentrum nach Neudorf verlegt. Die Herstellung von Leim, Talg, Teer und vielem mehr führte zu hoher Geruchsbelastung und verschmutzte den Hafenbereich derart, dass er bis vor wenigen Jahren als unbewohnbar galt und brach lag [2]. Die Besiedlung dieses Stadtteils wurde seitdem immer dichter, es entstand auch sozialer Wohnraum für die Arbeiter*innenklasse. Im Zweiten Weltkrieg wurden weite Teile des Stadtteilzentrums entlang der Route du Polygone durch Bombardierungen zerstört und in den nachfolgenden Jahrzehnten wieder aufgebaut [3].
Bis zum Ersten Weltkrieg befand sich Neudorf außerhalb der Befestigungsanlagen von Straßburg. Vor dem 19. Jahrhundert war die vorherrschende Wiesenlandschaft von den Überschwemmungen des Rheins geprägt, Mühlen und Ziegeleien verwendeten die lehmigen Böden. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie im Jahr 1861 nach Kehl und durch einen verbesserten Hochwasserschutz wurde das Gebiet zunehmend als Wohnraum erschlossen; Fabriken wurden aus dem Stadtzentrum nach Neudorf verlegt. Die Herstellung von Leim, Talg, Teer und vielem mehr führte zu hoher Geruchsbelastung und verschmutzte den Hafenbereich derart, dass er bis vor wenigen Jahren als unbewohnbar galt und brach lag [2]. Die Besiedlung dieses Stadtteils wurde seitdem immer dichter, es entstand auch sozialer Wohnraum für die Arbeiter*innenklasse. Im Zweiten Weltkrieg wurden weite Teile des Stadtteilzentrums entlang der Route du Polygone durch Bombardierungen zerstört und in den nachfolgenden Jahrzehnten wieder aufgebaut [3].
Das Viertel ist in 19 Einheiten mit jeweils 1.000 - 3.000 Einwohner*innen untergliedert [1]
Dörfliches Zusammenleben oder heterogene Stadtentwicklung?
Die historische und strukturelle Trennung vom Stadtzentrum spielt bis heute für die Identität der Quartiersbewohner*innen eine Rolle. Zwar wurde mit der Straßenbahn 1997 eine Verkehrsanbindung von der Haltestelle „Schluthfeld” in die Innenstadt geschaffen und das Straßenbahnnetz 2007 erweitert [2]. Dennoch begreifen einige Menschen das bevölkerungsstarke Quartier eher als eine Art Vorort oder Dorf – und sprechen davon, „in die Stadt zu gehen”, wenn sie den Kanal überqueren. Dadurch entsteht ein vertrautes Miteinander, gegenüber der von Tourismus geprägten Innenstadt bewahrt sich das Quartier eine harmonische Ruhe. In Gesprächen mit Bewohner*innen drückt sich Stolz darüber aus, dass das gemeinschaftliche Zusammenleben und die elsässische Tradition in Neudorf für ganz Straßburg repräsentativ sind. So bekundet Pieryck Ammerich „Neudorf is maybe more representative of the city of Strasbourg than other neighbourhoods […]. We are, in a way, a small Strasbourg in itself“.
In dem vielseitigen Stadtviertel entsteht eine Art Gleichzeitigkeit: Auf der einen Seite wirkt es traditionsreich, geschichtsträchtig, Manches erscheint wie ein Relikt aus früherer Zeit, wie es der Bewohner Hartmut beim Gespräch auf dem Markt ausdrückt: „Neudorf, c’est Neudorf. C’est un quartier historique”. Auf der anderen Seite wird das Viertel auch von der Entwicklung der Eurometropole Straßburg beeinflusst. Bauprojekte in den nördlichen und westlichen Bereichen des Viertels führen zu deren Aufwertung. Viele Bewohner*innen beteiligen sich in verschiedenen Initiativen aktiv an der Gestaltung des Quartierslebens, beispielsweise in Gemeinschaftsgärten. In den vom Zentrum weiter entfernten Teilen des Quartiers zeigt sich von dieser Entwicklung wenig, es deutet sich ein Gradient an, der das Viertel vom innenstadtnahen Norden des Viertels zum eher strukturell benachteiligten Süden durchzieht.
In dem vielseitigen Stadtviertel entsteht eine Art Gleichzeitigkeit: Auf der einen Seite wirkt es traditionsreich, geschichtsträchtig, Manches erscheint wie ein Relikt aus früherer Zeit, wie es der Bewohner Hartmut beim Gespräch auf dem Markt ausdrückt: „Neudorf, c’est Neudorf. C’est un quartier historique”. Auf der anderen Seite wird das Viertel auch von der Entwicklung der Eurometropole Straßburg beeinflusst. Bauprojekte in den nördlichen und westlichen Bereichen des Viertels führen zu deren Aufwertung. Viele Bewohner*innen beteiligen sich in verschiedenen Initiativen aktiv an der Gestaltung des Quartierslebens, beispielsweise in Gemeinschaftsgärten. In den vom Zentrum weiter entfernten Teilen des Quartiers zeigt sich von dieser Entwicklung wenig, es deutet sich ein Gradient an, der das Viertel vom innenstadtnahen Norden des Viertels zum eher strukturell benachteiligten Süden durchzieht.
Heterogenität und Vielfalt der Eindrücke in Neudorf
Neudorf im Wandel
Der Flair des heterogenen Viertels strahlt eine vermeintliche Kontinuität aus. Doch immer wieder heben die Bewohner*innen fortschreitende Veränderungen hervor, die besonders innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre in Neudorf bemerkbar geworden sind.
Eine Dynamik, die in Neudorf beobachtet werden kann, ist die Zunahme neuer Quartiersstrukturen, beispielsweise durch den Ausbau des ÖPNVs oder die Konstruktion neuer Brücken, welche eine bessere Anbindung an umliegende Gebiete ermöglichen. Diese ist insbesondere im nördlichen Teil Neudorfs spürbar, wo die dadurch erreichte höhere Zentralität zu einer steigenden Attraktivität führt und deshalb anziehend auf neue Bewohner*innen wirkt. Morgendliche Fahrradströme aus dem Quartier heraus und Rückströme am späten Nachmittag in das Quartier hinein lassen den Eindruck entstehen, die Bevölkerung Neudorfs sei nur zum Wohnen im Quartier. Doch schaut man genauer hin, so ist erkennbar, dass Neudorf keineswegs ein reines Wohnviertel ist. Gerade an den Hauptverkehrsachsen reihen sich Einkaufsläden, Maklerbüros und Läden für den alltäglichen Bedarf aneinander und bieten Arbeitsplätze für Bewohner*innen. Laut der Leiterin der Wäscherei an der Route du Polygone habe sich die Art der Läden jedoch in den letzten Jahrzehnten verändert. Wo früher Modeboutiquen „von hoher Qualität” waren, sind nun Banken. Durch die Neuansiedlung von Restaurants und Cafés mit „hippen” Angeboten, welche mit höheren Preisen einhergehen, sei eine Veränderung der Atmosphäre des Quartiers spürbar. Neu zuziehende, jüngere Bevölkerungsgruppen schätzen die dadurch gegebene größere Spanne an Möglichkeiten, ältere Menschen hingegen arrangieren sich damit, solange ihr bekanntes Alltagsleben nicht beeinträchtigt wird.
Eine Dynamik, die in Neudorf beobachtet werden kann, ist die Zunahme neuer Quartiersstrukturen, beispielsweise durch den Ausbau des ÖPNVs oder die Konstruktion neuer Brücken, welche eine bessere Anbindung an umliegende Gebiete ermöglichen. Diese ist insbesondere im nördlichen Teil Neudorfs spürbar, wo die dadurch erreichte höhere Zentralität zu einer steigenden Attraktivität führt und deshalb anziehend auf neue Bewohner*innen wirkt. Morgendliche Fahrradströme aus dem Quartier heraus und Rückströme am späten Nachmittag in das Quartier hinein lassen den Eindruck entstehen, die Bevölkerung Neudorfs sei nur zum Wohnen im Quartier. Doch schaut man genauer hin, so ist erkennbar, dass Neudorf keineswegs ein reines Wohnviertel ist. Gerade an den Hauptverkehrsachsen reihen sich Einkaufsläden, Maklerbüros und Läden für den alltäglichen Bedarf aneinander und bieten Arbeitsplätze für Bewohner*innen. Laut der Leiterin der Wäscherei an der Route du Polygone habe sich die Art der Läden jedoch in den letzten Jahrzehnten verändert. Wo früher Modeboutiquen „von hoher Qualität” waren, sind nun Banken. Durch die Neuansiedlung von Restaurants und Cafés mit „hippen” Angeboten, welche mit höheren Preisen einhergehen, sei eine Veränderung der Atmosphäre des Quartiers spürbar. Neu zuziehende, jüngere Bevölkerungsgruppen schätzen die dadurch gegebene größere Spanne an Möglichkeiten, ältere Menschen hingegen arrangieren sich damit, solange ihr bekanntes Alltagsleben nicht beeinträchtigt wird.
Ein Quartier im Wandel
Die zuvor beschriebenen Veränderungen können unter dem Begriff der Gentrifizierung zusammengefasst werden. Gentrifizierung, erstmals durch Ruth Glass (1964) beschrieben, stellt heute einen eigenen interdisziplinären Forschungsschwerpunkt dar [4]. Das Konzept der Gentrifizierung beschreibt Muster struktureller Aufwertung und folglich sozialen und wirtschaftlichen Wandels [5]. Konkrete Auswirkungen sind dabei die Zuwanderung einkommensstarker Bevölkerungsgruppen in bisher preisgünstige Stadtviertel, was zu steigenden Mieten und Immobilienwerten sowie Veränderungen in der sozialen Struktur der Quartiere führt [4]. Ein zentraler Aspekt ist die damit einhergehende Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen des Quartiers. In bestimmten Fällen kann der Prozess auch als „Green Gentrification” bezeichnet werden, wenn „ökologische Aufwertungen des Wohnungsbestandes und Wohnumfeldes als Auslöser beziehungsweise Treiber von Aufwertung und Verdrängung gelten” [5]. Durch einen potentiell zunehmenden Wechsel der ansässigen Bevölkerung kann es zu einer Verdrängung von Tradition und regionaler Eigenheit, dem „everyday character” [4], kommen.
Tatsächlich äußern einige Neudorfer*innen ihre Sorgen vor steigenden Mieten im Quartier. In Danube, einer inklusiven Wohnsiedlung im nordöstlichen Neudorf, oder im Ecoquartier im Nordwesten Neudorfs würden von Seiten der Stadt sogenannte Aufwertungsprozesse anvisiert [5], die strukturelle Veränderungen in Neudorf vorantreiben. Dadurch stellt sich die Frage, inwiefern diese Entwicklungen dem Konzept der „Green Gentrification” zugeordnet werden können, sofern sie einen Ansatz hin zu einer ökologischen Transformation darstellen. Spürbare Veränderungen des alltäglichen Lebens stellen gemäß diesem Konzept unter anderem die Eröffnung von mehr Ökoläden und Fahrradgeschäften, neue Fahrradwege, energieeffiziente Gebäude oder ganze Bauprojekte mit einem ökologischen Anspruch dar. In Neudorf können hauptsächlich Beispiele beobachtet werden, welche die Veränderung von Wohnbestand, Wohnungsbau und Sanierung umfassen, weniger die Aufwertung von Grünflächen. Olaf Schnur (2014) erläutert im Zusammenhang mit Gentrifizierung neu aufkommende Fragen zur „lokalen Identifikation, der Ortsbindung und de[m] lokalen Sozialkapital” [6]. Dies bestätigt sich beim Kontakt mit der Lokalbevölkerung, welche die soziale Durchmischung und das „aufeinander Zugehen” als Herausforderungen im Alltagsleben nennt.
Tatsächlich äußern einige Neudorfer*innen ihre Sorgen vor steigenden Mieten im Quartier. In Danube, einer inklusiven Wohnsiedlung im nordöstlichen Neudorf, oder im Ecoquartier im Nordwesten Neudorfs würden von Seiten der Stadt sogenannte Aufwertungsprozesse anvisiert [5], die strukturelle Veränderungen in Neudorf vorantreiben. Dadurch stellt sich die Frage, inwiefern diese Entwicklungen dem Konzept der „Green Gentrification” zugeordnet werden können, sofern sie einen Ansatz hin zu einer ökologischen Transformation darstellen. Spürbare Veränderungen des alltäglichen Lebens stellen gemäß diesem Konzept unter anderem die Eröffnung von mehr Ökoläden und Fahrradgeschäften, neue Fahrradwege, energieeffiziente Gebäude oder ganze Bauprojekte mit einem ökologischen Anspruch dar. In Neudorf können hauptsächlich Beispiele beobachtet werden, welche die Veränderung von Wohnbestand, Wohnungsbau und Sanierung umfassen, weniger die Aufwertung von Grünflächen. Olaf Schnur (2014) erläutert im Zusammenhang mit Gentrifizierung neu aufkommende Fragen zur „lokalen Identifikation, der Ortsbindung und de[m] lokalen Sozialkapital” [6]. Dies bestätigt sich beim Kontakt mit der Lokalbevölkerung, welche die soziale Durchmischung und das „aufeinander Zugehen” als Herausforderungen im Alltagsleben nennt.
Das Café Zohra in der Route du Polygone
Soziale Gerechtigkeit und der Erhalt von Vielfalt im Quartier sind demnach Themen hoher Relevanz, mit denen sich Stadtplanung und Politik auseinandersetzen müssen. In welchem Maße Sanierungen, Aufwertungen oder teure Bauprojekte in der Stadtentwicklung mit dem zugrundeliegenden neoliberalen System vereinbar sind, ohne dabei soziale Ungleichheiten zu verstärken bzw. zu produzieren, bleibt fraglich. Denn „[s]ozialräumliche Konsequenzen wie (Re-)Produktion sozial-räumlicher Ungleichheit, Verdrängung und Exklusion” [5] sind durchaus im gesellschaftlichen System verankert und werden häufig vernachlässigt. Die Vorgabe von 50% sozialem Wohnraum bei Neubauten in Frankreich [7] sind ein Ansatzpunkt, um dieser Dynamik entgegenzuwirken. Dennoch muss beachtet werden, dass „[d]er Aufwertungsprozess durch eine hohe Komplexität charakterisiert [wird], bei dem sich insbesondere immobilienwirtschaftliche Verwertungsstrategien, Segregationsprozesse, neue Formen der Stadtpolitik und symbolische Umdeutungen der Wohnquartiere überlagern” [5]. Dies unterstreicht die Herausforderungen, die sich im Zuge des Gentrifizierungsprozesses potenzieren und die in städtepolitischen Entscheidungsprozessen von hegemonialen Machtstrukturen durchzogen sind. Dabei ist es Aufgabe der Stadt, unterschiedliche Akteur*innen und verschiedene Interessen einzubeziehen, die entstehenden Interessenkonflikte abzuwägen und die Handlungsfähigkeit einzelner Akteur*innen zu gewährleisten. Welche Entscheidungen hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen getroffen werden, hängt dabei in erster Linie von der politischen Agenda ab. Einige Gesprächspartner*innen berichten davon, wie die Umsetzung von Verdichtungs- und Aufwertungsprojekten in Neudorf abläuft. Dabei wird deutlich, dass die Stadt bereits viele Aspekte guter Lebensqualität sowie sozialer Partizipation bei der Planung berücksichtigt. Ein Beispiel dafür ist die Förderung von ökologischen und partizipativen Baugruppenprojekten („Project d’auto-promotion”) im Ecoquartier am westlichen Rand Neudorfs, sowie das „Maison Citoyenne”. Dies ist ein Quartiertreffpunkt von und für Bewohner*innen, um Austausch zu ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen innerhalb Neudorfs zu ermöglichen. Auch integrative Wohnprojekte, wie der Verein „Arche” in Danube, der die drei Konzepte von mitwirkungsorientiertem, inklusivem und gemeinschaftlichem Wohnen („habitat participatif, habitat inclusif, habitat partagé”) umsetzt, wurden von der Stadt als soziale Träger für eine Aufwertung der Wohnsiedlung ausgewählt. „Phare Citadelle”, ein Zwischennutzungsprojekt am Hafen im Nordosten Neudorfs, kann ebenso als Beispiel gelten, positive Entwicklung voranzutreiben. Gleichzeitig stellt sich in der Praxis die Frage, in welchem Maße es in Neudorf zu einer stetigen Verdrängung der strukturell benachteiligten Bevölkerung durch (Grüne) Gentrifizierung kommt, beziehungsweise, ob bereits stattfindende Gentrifizierungsprozesse durch solche Aufwertungsprojekte beschleunigt werden.
Quartiersentwicklung im Norden Neudorfs
Das Quartier gestalten
Auf der anderen Seite des strukturellen sozial-ökonomischen Wandels in Neudorf steht die alltägliche Lebensrealität der Bewohner*innen des Quartiers. Durch die aktive Mitgestaltung des Quartierslebens durch Bewohner*innen entstehen eigene Dynamiken, begünstigt durch den hybriden Charakter Neudorfs zwischen „Dorf-Flair“ und urbaner Anknüpfung an die Straßburger Innenstadt.
Um zu verstehen, wie soziale Initiativen das alltägliche Quartiersleben der Neudorfer*innen prägen und welche persönlichen Motivationen zur Partizipation führen, haben wir mit Vertreter*innen diverser Initiativen in Neudorf gesprochen. Diese betonen, dass gerade die Nähe der unterschiedlichen städtischen Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeit, Vernetzung) in Neudorf zu einem hohen Austausch der Neudorfer*innen untereinander führt. So lebt das Viertel von sozialen Projekten, welche „Orte der Begegnung“ (Tobias Gerken) und Gemeinschaftsräume als „espace commun“ (Florian Stadelmann) schaffen. Laut Pieryck Ammerich vom „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ machen diese das Viertel lebendiger, da hier Austausch stattfindet und dadurch Neues entsteht. Wichtig sei dabei, dass möglichst vielfältige Angebote erarbeitet werden, welche die große Spanne der Altersstruktur Neudorfs abbilden. So verwandelt das „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ mit seinem mobilen CAROCE („Convivialité, Animation, Rencontres, Ouverture, Créativité, Ensemble”) den öffentlichen Place de la Ziegelau in einen großen Spielplatz für Kinder. Hier können sie vieles ausprobieren: Bogenschießen, Malen, Schachspielen und andere Kinder kennenlernen. Auch das Kollektiv „Phare Citadelle“ im Nordosten Neudorfs bietet partizipative Formate für Schulklassen an. Junge Erwachsene Neudorfs, die tagsüber im Quartier wenig präsent sind, finden hier ebenfalls Angebote, da regelmäßig Partys und Kulturevents stattfinden. Für junge Familien und ältere Erwachsene bietet sich ein erfüllender Ausgleich zum Alltag in den zahlreichen Gemeinschaftsgärten Neudorfs oder beim Austausch im Quartierstreff „Maison Citoyenne“. Schließlich gibt es neben dem Café am Marktplatz auch für Senior*innen Angebote für Austausch und Teilhabe, wie etwa beim Verein „Mamies Gâteaux” [8], der gemeinsame Backtreffen organisiert.
Über die verschiedenen Altersspannen hinaus gibt es auch Bestrebungen, die partizipativen Angebote im Quartier inklusiv zu öffnen. Sowohl den Mitarbeitenden des „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ als auch den Gemeinschaftsgärtner*innen ist es wichtig, dass alle Menschen willkommen sind. Laut Anne Catherine Hengy vom Gemeinschaftsgarten „Le Lombric Hardi“ und Paolo Bianchini vom Gemeinschaftsgarten „Le Clos des Marroniers“ engagieren sich Neudorfer*innen unterschiedlichsten Alters, Herkunft und Beschäftigung. Es seien Orte des sozialen Zusammenhalts und das sei das Wichtigste. Sophie Vuille von „Le Lombric Hardi“ sagt, dass man nicht die Frage nach der sozialen Herkunft stelle, sondern dass jede*r einfach da sei, um zu gärtnern, zu teilen und gemeinsam zu lernen. Es werden regelmäßig Mitmachtage oder Feste organisiert, um die Sichtbarkeit der Projekte zu erhöhen und weitere Interessierte zu begeistern. Florian Stadelmann vom Kollektiv „Phare Citadelle“ bezeichnet die Gemeinschaftsräume als Lernorte, an denen Neues erprobt werden kann, was sich auch auf andere Orte übertragen lässt. In dieser Hinsicht ist es gerade wichtig, jungen Menschen neue Perspektiven aufzuzeigen, erklärt Pieryck Ammerich.
Um zu verstehen, wie soziale Initiativen das alltägliche Quartiersleben der Neudorfer*innen prägen und welche persönlichen Motivationen zur Partizipation führen, haben wir mit Vertreter*innen diverser Initiativen in Neudorf gesprochen. Diese betonen, dass gerade die Nähe der unterschiedlichen städtischen Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeit, Vernetzung) in Neudorf zu einem hohen Austausch der Neudorfer*innen untereinander führt. So lebt das Viertel von sozialen Projekten, welche „Orte der Begegnung“ (Tobias Gerken) und Gemeinschaftsräume als „espace commun“ (Florian Stadelmann) schaffen. Laut Pieryck Ammerich vom „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ machen diese das Viertel lebendiger, da hier Austausch stattfindet und dadurch Neues entsteht. Wichtig sei dabei, dass möglichst vielfältige Angebote erarbeitet werden, welche die große Spanne der Altersstruktur Neudorfs abbilden. So verwandelt das „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ mit seinem mobilen CAROCE („Convivialité, Animation, Rencontres, Ouverture, Créativité, Ensemble”) den öffentlichen Place de la Ziegelau in einen großen Spielplatz für Kinder. Hier können sie vieles ausprobieren: Bogenschießen, Malen, Schachspielen und andere Kinder kennenlernen. Auch das Kollektiv „Phare Citadelle“ im Nordosten Neudorfs bietet partizipative Formate für Schulklassen an. Junge Erwachsene Neudorfs, die tagsüber im Quartier wenig präsent sind, finden hier ebenfalls Angebote, da regelmäßig Partys und Kulturevents stattfinden. Für junge Familien und ältere Erwachsene bietet sich ein erfüllender Ausgleich zum Alltag in den zahlreichen Gemeinschaftsgärten Neudorfs oder beim Austausch im Quartierstreff „Maison Citoyenne“. Schließlich gibt es neben dem Café am Marktplatz auch für Senior*innen Angebote für Austausch und Teilhabe, wie etwa beim Verein „Mamies Gâteaux” [8], der gemeinsame Backtreffen organisiert.
Über die verschiedenen Altersspannen hinaus gibt es auch Bestrebungen, die partizipativen Angebote im Quartier inklusiv zu öffnen. Sowohl den Mitarbeitenden des „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ als auch den Gemeinschaftsgärtner*innen ist es wichtig, dass alle Menschen willkommen sind. Laut Anne Catherine Hengy vom Gemeinschaftsgarten „Le Lombric Hardi“ und Paolo Bianchini vom Gemeinschaftsgarten „Le Clos des Marroniers“ engagieren sich Neudorfer*innen unterschiedlichsten Alters, Herkunft und Beschäftigung. Es seien Orte des sozialen Zusammenhalts und das sei das Wichtigste. Sophie Vuille von „Le Lombric Hardi“ sagt, dass man nicht die Frage nach der sozialen Herkunft stelle, sondern dass jede*r einfach da sei, um zu gärtnern, zu teilen und gemeinsam zu lernen. Es werden regelmäßig Mitmachtage oder Feste organisiert, um die Sichtbarkeit der Projekte zu erhöhen und weitere Interessierte zu begeistern. Florian Stadelmann vom Kollektiv „Phare Citadelle“ bezeichnet die Gemeinschaftsräume als Lernorte, an denen Neues erprobt werden kann, was sich auch auf andere Orte übertragen lässt. In dieser Hinsicht ist es gerade wichtig, jungen Menschen neue Perspektiven aufzuzeigen, erklärt Pieryck Ammerich.
Partizipative Projekte als verbindendes Element
Auffällig ist, dass die sozialen Initiativen bestimmten Orten im Quartier neues Leben einhauchen und diese durch Umnutzung aufwerten. So entstehen mithilfe der Gemeinschaftsgärten aus Betonwüsten neue Oasen der Biodiversität, berichtet Anne Catherine Hengy, und aus der chemisch belasteten Industriebrache werden partizipative Kulturräume mit künstlerischem Flair, wie etwa in der „Phare Citadelle”. Jede der besuchten Initiativen ist in einem Verein organisiert und oft an übergeordnete Organisationen angebunden. Der Gemeinschaftsgarten „Le Clos des Marroniers“ etwa ist Teil des Vereins „Compostra“, der neben der Bereitstellung einer Kompost-Infrastruktur in Straßburg fünf Gemeinschaftsgärten betreibt. Xavier Eeckeloot, der Leiter des Gartens, bemüht sich zudem um eine Vernetzung mit den umliegenden Einrichtungen – er berichtet, dass er aktuell Kontakte mit dem Kinderheim, dem Kloster und dem Spielplatz neben dem Gemeinschaftsgarten aufbaut. Auch Anne Catherine Hengy betont ein starkes Interesse an der Vernetzung der Initiativen im Quartier. Durch Feste, Treffen mit der Stadt und eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe stehen die Gemeinschaftsgärten im Austausch. Der Verein „Arche” betreibt nicht nur den Begegnungsort „Les Pot‘irons“ in Danube, sondern arbeitet außerdem eng mit dem Nachbarschaftsverein EDEN der inklusiven Wohnsiedlung zusammen, sagt Tobias Gerken. Auch einzelne Akteur*innen setzen sich für die Vernetzung des sozio-kulturellen Lebens in Neudorf ein. So hängt die Leiterin des Waschsalons an der Route du Polygone Poster für kulturelle Veranstaltungen auf und erklärt, Kultur gehört zum Leben dazu.
Die Rolle der Stadt bei partizipativen Projekten
Alle Initiativen betonen die aktive Rolle der Stadt für die Entwicklung partizipativer Projekte. Durch die Bereitstellung von Grundflächen, etwa für die Gemeinschaftsgärten oder das „Phare Citadelle”, Ausschreibungen für soziale Akteur*innen und die Bereitstellung von Mitteln für Material fördert sie eine aktive Beteiligung der Quartiersbewohner*innen. Der Ansatz, im Stadtteil Neudorf Räume für Partizipation und Lernen zu eröffnen, schafft Anreize für eine „Bottom-up" Stadtentwicklung [6]. Solche „Graswurzel-Initiativen” fördern eine nachhaltige Stadtentwicklung im lokalen Kontext, wobei sie durch ihre Verwurzelung im Quartier lokale Interessen und Werte einbringen [10]. Dadurch werden Alternativen zu vorhandenen Stadtentwicklungskonzepten geschaffen, welche auch auf andere Kontexte übertragen werden können [11]. Die Stadt Straßburg schafft in Neudorf die Grundlage für viele solcher Lernorte, getragen von der lokalen Bewohnerschaft. So sind auch die Gemeinschaftsgärten in Neudorf ein Beispiel für eine solche „Bottom-up“ Quartiersgestaltung.
Gemeinschaftsgärtnern für die ökologische Transformation
Anne Catherine Hengy vom Gemeinschaftsgarten „Le Lombric Hardi“ ist dankbar für die Bereitstellung des Bodens und der Werkzeuge durch die Stadt. Gleichzeitig sieht sie eine starke Einflussnahme der Stadt auf die Gestaltung der Gemeinschaftsgärten, da diese die Regeln bestimme und eine Abstimmung mit den politischen Entscheidungen der Gartengemeinschaft einfordere. Letztendlich führe dies zu Unsicherheiten hinsichtlich der Zukunft des Gemeinschaftsgartens, da das Grundstück nach wie vor der Stadt gehöre und somit bei einem Wechsel der Stadtverwaltung gekündigt werden könnte. Dies ist relevant wegen der beschriebenen Gentrifizierungsdynamiken in Neudorf, in Folge derer Grundstücke als zu vermarktendes Kapital gesehen werden könnten. Dominik Neidlinger, Architekt im Verein „Eco-Quartier Strasbourg”, beschreibt, wie die Förderung partizipativer Quartierskonzepte durch die Stadt positive Dynamiken in Gang setze, die auch andere Projekte anziehe. So entstehen Cluster partizipativer Stadtentwicklung. Dies sei auch im Interesse der Stadt, weil dadurch eine starke interfunktionale Aufwertung Neudorfs entsteht, welche wiederum zur stärkeren Wahrnehmung Neudorfs als attraktives Quartier führt. Gleichzeitig kann argumentiert werden, dass diese Aufwertung und neue Urbanität im dörflichen Neudorf Gentrifizierungsprozesse verstärkt statt abfedert. In Rückbezug auf Pieryck Ammerichs Aussage zur finanziellen Knappheit des „Centre Socio-Culturel de Neudorf“ fällt ein Widerspruch zwischen den finanziellen Anreizen der Stadt für sozio-ökologische Projekte und der anscheinend unzureichenden Förderung vorhandener sozio-kultureller Initiativen wie dem CAROCE auf. Ob diese Beobachtung einen weiteren Indikator für eine Gentrifizierungsdynamik darstellt, bleibt ein Thema für weitere Quartiersforschung in Neudorf.
Neben der Abhängigkeit des Erfolgs partizipativer Projekte von der finanziellen und materiellen Unterstützung durch die Stadt Straßburg bezeichnen Initiator*innen die Einbeziehung der Bewohner*innen als herausfordernd. So weist Tobias Gerken in Danube auf die zentrale Bedeutung offener Mitmachaktionen hin, damit diese von den Projekten erfahren und sich willkommen fühlen. Xavier Eeckeloot vom Gemeinschaftsgarten „Le Clos des Marroniers“ betont die Offenheit der Gartengemeinschaft für alle Interessierten. Bei genauerer Erläuterung der Aufnahme neuer Vereinsmitglieder wird jedoch deutlich, dass für ihn als Leitendem gewisse Voraussetzungen der Bewohnerschaft und Verbindlichkeit erfüllt sein müssen, damit Interessierte beitreten können. Auch durch die Abgrenzung des Gartens vom umliegenden Gebiet durch einen Zaun wird bereits eine räumliche Segregation deutlich. Innerhalb partizipativer „Graswurzel“-Initiativen ist es also gut möglich, dass gewisse Hierarchien bestehen und partizipative Lernräume gewissen gesellschaftlichen Regeln folgen. Inwieweit die Stadt Straßburg durch die administrative Einflussnahme diese Regeln mitbestimmt, bleibt weiter zu erörtern.
Außer Frage steht jedoch, dass die partizipativen Initiativen Neudorf und dessen Identität prägen. Die Projekte fördern die Repräsentation lokaler Interessen der räumlichen Nutzung des Viertels und eine größere Sichtbarkeit in der Quartiersgemeinschaft, der Stadt Straßburg und bei Besucher*innen. Dass dabei am Ende das Wichtigste „die Gemeinschaft [ist, also] die Gesamtheit der Initiativen, die dafür sorgen, dass dieser Ort lebt”, wie Anne Catherine Hengy hervorhebt, wird durch unsere Eindrücke des Quartiers bestätigt.
Neben der Abhängigkeit des Erfolgs partizipativer Projekte von der finanziellen und materiellen Unterstützung durch die Stadt Straßburg bezeichnen Initiator*innen die Einbeziehung der Bewohner*innen als herausfordernd. So weist Tobias Gerken in Danube auf die zentrale Bedeutung offener Mitmachaktionen hin, damit diese von den Projekten erfahren und sich willkommen fühlen. Xavier Eeckeloot vom Gemeinschaftsgarten „Le Clos des Marroniers“ betont die Offenheit der Gartengemeinschaft für alle Interessierten. Bei genauerer Erläuterung der Aufnahme neuer Vereinsmitglieder wird jedoch deutlich, dass für ihn als Leitendem gewisse Voraussetzungen der Bewohnerschaft und Verbindlichkeit erfüllt sein müssen, damit Interessierte beitreten können. Auch durch die Abgrenzung des Gartens vom umliegenden Gebiet durch einen Zaun wird bereits eine räumliche Segregation deutlich. Innerhalb partizipativer „Graswurzel“-Initiativen ist es also gut möglich, dass gewisse Hierarchien bestehen und partizipative Lernräume gewissen gesellschaftlichen Regeln folgen. Inwieweit die Stadt Straßburg durch die administrative Einflussnahme diese Regeln mitbestimmt, bleibt weiter zu erörtern.
Außer Frage steht jedoch, dass die partizipativen Initiativen Neudorf und dessen Identität prägen. Die Projekte fördern die Repräsentation lokaler Interessen der räumlichen Nutzung des Viertels und eine größere Sichtbarkeit in der Quartiersgemeinschaft, der Stadt Straßburg und bei Besucher*innen. Dass dabei am Ende das Wichtigste „die Gemeinschaft [ist, also] die Gesamtheit der Initiativen, die dafür sorgen, dass dieser Ort lebt”, wie Anne Catherine Hengy hervorhebt, wird durch unsere Eindrücke des Quartiers bestätigt.
Ein Viertel zwischen Miteinander und Nebeneinander
Neudorf lebt von vielfältigen Veranstaltungen und Initiativen, welche die Menschen des Viertels zusammenbringen. Dabei stellt sich die Frage, ob bei diesen verschiedenen Möglichkeiten des Austauschs und des Gestaltens jede*r mitgenommen wird oder ob es zur Verdrängung bestimmter Gruppen kommt.
Durch bauliche Veränderungen wie die Gestaltung des Ecoquartiers Danube und Projekte der Nachverdichtung des Wohnungsbestands, beispielsweise durch partizipative Wohnprojekte, befindet sich Neudorf in einer andauernden Entwicklung. Dabei werden die Bauprojekte im Viertel verschieden umgesetzt und haben einen unterschiedlichen Einfluss auf Vermischung und Austausch im Quartier. Danube wurde als ein in sich geschlossenes Projekt konzipiert, welches über Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen und Orte des sozialen Austausches verfügt. Im Gegensatz dazu führt die Nachverdichtung nahe der Bahnhaltestelle „Schluthfeld” durch die von Baugruppen umgesetzten ökologischen Gebäude zu einer kleinteiligeren Veränderung im Stadtbild und im nachbarschaftlichen Miteinander.
Bereits bestehende Gebiete in Städten nachzuverdichten, birgt hohes Konfliktpotential. Die von den Bebauungsveränderungen betroffenen Bewohner*innen sorgen sich häufig um eine Verringerung der Lebensqualität durch die Umgestaltung ihres Wohnstandortes. Werden Grünflächen und Erholungsgebiete im Quartier durch die Nachverdichtung verloren gehen? Reicht die Infrastruktur des Viertels für die Versorgung zusätzlicher Bewohner*innen aus? Werden sich die Zuziehenden in die bestehende nachbarschaftliche Struktur integrieren oder wird ein Nebeneinander entstehen? Um auf diese Bedenken einzugehen und den Bewohner*innen Mitgestaltungsspielraum zu geben, ist eine offene Kommunikation zwischen allen am Prozess beteiligten Parteien unabdingbar [12]. Dominik Neidlinger, der in der Nachbarschaft nahe der Bahnstation „Schluthfeld” wohnt, beschreibt die Entwicklung durch die neuen ökologischen Gebäude: Er erklärt, weshalb durch die Umsetzung der partizipativen Wohnprojekte in Neudorf viele Menschen dort hinziehen. „[Es] kamen natürlich jetzt neue Profile in das Gebiet, vor allem hier am „Frange de Neudorf“, also am Rande von Neudorf und das gibt [...] finde ich ein sehr angenehmes und gemischtes Viertel”. Obwohl die bisherigen Bewohner*innen den Zuziehenden nicht abgeneigt gegenüberstehen, vollzieht sich das Zusammenwachsen der alten Nachbarschaft mit den neuen Bewohner*innen langsam. Das „Maison Citoyenne” zieht häufig die neuen Bewohner*innen an. Der persönliche Austausch mit den Nachbar*innen, so Dominik Neidlinger, führt allerdings schrittweise zu einer Integration.
Danube, als Stadtteil im Stadtteil, der seit 2013 auf dem ehemaligen Hafengelände erbaut wird, soll bis 2030 fertiggestellt werden. Neben Wohnungen, einem Pflegeheim, einem Studierendenwohnheim und einem Kindergarten finden sich im Stadtteil viele Büro- und Gewerbeflächen, die verschiedene Dienstleistungen auf kleinem Raum konzentrieren [7]. Als nachhaltig geplantes Stadtviertel zeichnet sich Danube als verkehrsberuhigtes Gebiet mit verschiedenen Grünflächen und Spielplätzen aus. Die Einrichtungen des Quartiers orientieren sich entlang einer zentralen Straße, die durch Plätze und Orte der Begegnung wie dem „Les Pot’irons” zum Austausch einladen. Durch inklusive Projekte und die Gestaltung öffentlicher Plätze mit Aufenthaltsqualität kommen die Bewohner*innen Danubes in Dialog. Da sich das Viertel noch in der Entstehung befindet, bilden sich erst langsam Angebote heraus. Die Beteiligung der Bewohner*innen erhöht sich schrittweise, wie Tobias Gerken im obigen Video beschreibt. Im neu gestalteten Gebiet entsteht so ein gemeinsames Leben, eine neue Nachbarschaft. Auf die Integration in den bestehenden Stadtteil Neudorf, an den das Ecoquartier Danube angeschlossen ist, geht der dort lebende Tobias Gerken ein. Er spricht davon, dass Danube nach außen hin „abgeschlossen” ist. Trennend wirken dabei verschiedene strukturelle Faktoren: Die mehrspurige „Avenue du Rhine” charakterisiert Tobias Gerken als eine „Sozialraum-Grenze”, die das Alltagsleben der Neudorfer*innen von dem der Anwohner*innen Danubes trennt.
Durch bauliche Veränderungen wie die Gestaltung des Ecoquartiers Danube und Projekte der Nachverdichtung des Wohnungsbestands, beispielsweise durch partizipative Wohnprojekte, befindet sich Neudorf in einer andauernden Entwicklung. Dabei werden die Bauprojekte im Viertel verschieden umgesetzt und haben einen unterschiedlichen Einfluss auf Vermischung und Austausch im Quartier. Danube wurde als ein in sich geschlossenes Projekt konzipiert, welches über Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen und Orte des sozialen Austausches verfügt. Im Gegensatz dazu führt die Nachverdichtung nahe der Bahnhaltestelle „Schluthfeld” durch die von Baugruppen umgesetzten ökologischen Gebäude zu einer kleinteiligeren Veränderung im Stadtbild und im nachbarschaftlichen Miteinander.
Bereits bestehende Gebiete in Städten nachzuverdichten, birgt hohes Konfliktpotential. Die von den Bebauungsveränderungen betroffenen Bewohner*innen sorgen sich häufig um eine Verringerung der Lebensqualität durch die Umgestaltung ihres Wohnstandortes. Werden Grünflächen und Erholungsgebiete im Quartier durch die Nachverdichtung verloren gehen? Reicht die Infrastruktur des Viertels für die Versorgung zusätzlicher Bewohner*innen aus? Werden sich die Zuziehenden in die bestehende nachbarschaftliche Struktur integrieren oder wird ein Nebeneinander entstehen? Um auf diese Bedenken einzugehen und den Bewohner*innen Mitgestaltungsspielraum zu geben, ist eine offene Kommunikation zwischen allen am Prozess beteiligten Parteien unabdingbar [12]. Dominik Neidlinger, der in der Nachbarschaft nahe der Bahnstation „Schluthfeld” wohnt, beschreibt die Entwicklung durch die neuen ökologischen Gebäude: Er erklärt, weshalb durch die Umsetzung der partizipativen Wohnprojekte in Neudorf viele Menschen dort hinziehen. „[Es] kamen natürlich jetzt neue Profile in das Gebiet, vor allem hier am „Frange de Neudorf“, also am Rande von Neudorf und das gibt [...] finde ich ein sehr angenehmes und gemischtes Viertel”. Obwohl die bisherigen Bewohner*innen den Zuziehenden nicht abgeneigt gegenüberstehen, vollzieht sich das Zusammenwachsen der alten Nachbarschaft mit den neuen Bewohner*innen langsam. Das „Maison Citoyenne” zieht häufig die neuen Bewohner*innen an. Der persönliche Austausch mit den Nachbar*innen, so Dominik Neidlinger, führt allerdings schrittweise zu einer Integration.
Danube, als Stadtteil im Stadtteil, der seit 2013 auf dem ehemaligen Hafengelände erbaut wird, soll bis 2030 fertiggestellt werden. Neben Wohnungen, einem Pflegeheim, einem Studierendenwohnheim und einem Kindergarten finden sich im Stadtteil viele Büro- und Gewerbeflächen, die verschiedene Dienstleistungen auf kleinem Raum konzentrieren [7]. Als nachhaltig geplantes Stadtviertel zeichnet sich Danube als verkehrsberuhigtes Gebiet mit verschiedenen Grünflächen und Spielplätzen aus. Die Einrichtungen des Quartiers orientieren sich entlang einer zentralen Straße, die durch Plätze und Orte der Begegnung wie dem „Les Pot’irons” zum Austausch einladen. Durch inklusive Projekte und die Gestaltung öffentlicher Plätze mit Aufenthaltsqualität kommen die Bewohner*innen Danubes in Dialog. Da sich das Viertel noch in der Entstehung befindet, bilden sich erst langsam Angebote heraus. Die Beteiligung der Bewohner*innen erhöht sich schrittweise, wie Tobias Gerken im obigen Video beschreibt. Im neu gestalteten Gebiet entsteht so ein gemeinsames Leben, eine neue Nachbarschaft. Auf die Integration in den bestehenden Stadtteil Neudorf, an den das Ecoquartier Danube angeschlossen ist, geht der dort lebende Tobias Gerken ein. Er spricht davon, dass Danube nach außen hin „abgeschlossen” ist. Trennend wirken dabei verschiedene strukturelle Faktoren: Die mehrspurige „Avenue du Rhine” charakterisiert Tobias Gerken als eine „Sozialraum-Grenze”, die das Alltagsleben der Neudorfer*innen von dem der Anwohner*innen Danubes trennt.
Migration als Teil der Identität Neudorfs
In Gesprächen über das Miteinander im Quartier Neudorf sprechen mehrere Bewohner*innen das Aufeinandertreffen verschiedener ethnischer Gruppen an. Das gemeinsame Leben von Menschen mit unterschiedlicher Migrationsgeschichte ist in Neudorf kein neues Phänomen: Simon Nreca, dessen Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien in den 1970er Jahren nach Straßburg kamen, berichtet von seinen Beobachtungen, dass damals viele Migrant*innen aus verschiedenen Regionen in Neudorf ankamen: „A lot of migrants came from all around Europe and North Africa. From Ex-Yugoslavia, Italy, Spain [...] also from Morocco, Algeria, Tunisia and some other North African countries”. Er beschreibt Neudorf während seines Aufwachsens in den 1970er und 1980er Jahren als ein durch Bewohner*innen mit geringem bis mittlerem Einkommen gekennzeichnetes Quartier. Die Atmosphäre im Viertel empfand er in seiner Jugend als „weltoffen” – den Austausch der verschiedenen Kulturen als bereichernd. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Gruppen und das Gestalten des Alltagslebens durch Austausch und gemeinsame Aktivitäten, wie dem Pétanque-Spielen, machten für ihn die Identität des Stadtviertels aus. Auch heute kommen viele Menschen mit Migrationsgeschichte nach Neudorf. Im Gespräch mit Besucher*innen und Bewohner*innen des Viertels wird deutlich, dass verschiedene parallele Lebenswelten im Quartier wahrgenommen werden. Bestimmte Bewohner*innengruppen haben einen geringen Austausch miteinander und leben so mehr neben- als miteinander.
Verbindende und trennende Faktoren im sozialen Miteinander
Das Alltagsleben und die Identität Neudorfs lassen sich kaum präzise definieren, so heterogen und im Wandel befindlich ist der Stadtteil. Die Gespräche mit den Bewohner*innen und den im Stadtteilleben aktiven Menschen erlauben es, erste Einblicke in das Quartier, seine Entwicklung und Eigenheiten erlangen. Der Bereich des Neudorfer Ostens kommt dabei allerdings zu kurz. Ein nicht geringer Anteil der Neudorfer*innen wohnt in den Großwohnsiedlungen am südöstlichen Rand des Stadtteils. Dieser Teil von Neudorf wird durch eine wesentlich geringere Dienstleistungsinfrastruktur, hohe und große Gebäudekomplexe sowie einen weitläufigen Park geprägt. Der Park zeichnet sich durch einen verhältnismäßig hohen Austausch der Bewohner*innen an einem naturbelassenen Bachlauf aus. Neben den anderen abgebildeten Facetten Neudorfs auch diese Nachbarschaft des Quartiers stärker in den Fokus zu rücken, war uns nur begrenzt möglich. So stehen in dieser Dokumentation die Bewohner*innen anderer Teile von Neudorf und deren Alltagsleben sowie die dortigen partizipativen Projekte im Vordergrund.
Neudorf verändert sich dynamisch. Dabei finden parallel verschiedene Prozesse im Quartier statt: Die Bereiche in Richtung der Innenstadt befinden sich in einer starken Umgestaltung, welche durch die Stadtpolitik gefördert wird. Das Entstehen des Ecoquartiers Danube und die partizipativen und ökologischen Bauprojekte im nördlichen Teil des Viertels verändern die Zusammensetzung der Bewohner*innenschaft und beeinflussen das Alltagsleben im Quartier. Dabei werden zum einen Orte der Begegnung und des Austauschs geschaffen und gefördert, zum anderen werden durch die Architektur teils Stadtteile im Stadtteil geschaffen. Im Süden und vor allem im östlichen Bereich Neudorfs ist von diesen baulichen Veränderungen derzeit noch nichts zu spüren.
Die Initiativen und partizipativen Projekte, die im Viertel stattfinden, zeichnen das Leben der Bewohner*innen im Quartierszentrum aus. So gibt es im Viertel unterschiedliche Angebote, die viele der Bewohner*innen erreichen und für unterschiedliche Generationen offen sind. Diese Angebote sind jedoch abhängig von der Stadt, da sie für viele Projekte die Flächen zur Verfügung stellt oder mit Hilfe von materiellen Anschaffungen die Grundlage bildet, auf der die Projekte existieren. Die Identität Neudorfs ist in ständigem Wandel. Es bleibt allerdings offen, ob alle Bewohner*innen an den stattfindenden Prozessen, die diese Identität prägen, teilhaben werden.
Neudorf verändert sich dynamisch. Dabei finden parallel verschiedene Prozesse im Quartier statt: Die Bereiche in Richtung der Innenstadt befinden sich in einer starken Umgestaltung, welche durch die Stadtpolitik gefördert wird. Das Entstehen des Ecoquartiers Danube und die partizipativen und ökologischen Bauprojekte im nördlichen Teil des Viertels verändern die Zusammensetzung der Bewohner*innenschaft und beeinflussen das Alltagsleben im Quartier. Dabei werden zum einen Orte der Begegnung und des Austauschs geschaffen und gefördert, zum anderen werden durch die Architektur teils Stadtteile im Stadtteil geschaffen. Im Süden und vor allem im östlichen Bereich Neudorfs ist von diesen baulichen Veränderungen derzeit noch nichts zu spüren.
Die Initiativen und partizipativen Projekte, die im Viertel stattfinden, zeichnen das Leben der Bewohner*innen im Quartierszentrum aus. So gibt es im Viertel unterschiedliche Angebote, die viele der Bewohner*innen erreichen und für unterschiedliche Generationen offen sind. Diese Angebote sind jedoch abhängig von der Stadt, da sie für viele Projekte die Flächen zur Verfügung stellt oder mit Hilfe von materiellen Anschaffungen die Grundlage bildet, auf der die Projekte existieren. Die Identität Neudorfs ist in ständigem Wandel. Es bleibt allerdings offen, ob alle Bewohner*innen an den stattfindenden Prozessen, die diese Identität prägen, teilhaben werden.
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[Literaturverzeichnis]
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- [1] Index Citypopulation: Gemeinden in der Agglomeration Straßburg. https://www.citypopulation.de/de/france/strasbourg/admin/67482__strasbourg/ [zuletzt abgerufen: 26.10.2023]
- [2] Stadt Straßburg - Archives. Neudorf. Nouveau village, nouvelle ville. https://archives.strasbourg.eu/expositions/salle-la-vie-des-neudorfois-87/n:335 [zuletzt abgerufen: 26.10.2023]
- [3] Communauté Urbaine: Les bombardements aériens de 1943 et de 1944. Exposition dans le hall d'accueil de la CUS, 2013.
- [4] Brown-Saracino, Japonica. The Gentrification Debates. Routledge, 2013. https://doi.org/10.4324/9781315881096 [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [5] Glatter, Jan und Mießner, Michael, Hrsg. Gentrifizierung und Verdrängung: Aktuelle theoretische, methodische und politische Herausforderungen. 1. Aufl. Band 3. Interdisziplinäre Wohnungsforschung. Bielefeld, Germany: transcript Verlag, 2021. https://doi.org/10.14361/9783839455821 [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [6] Schnur, Olaf, Hrsg. Quartiersforschung: Zwischen Theorie und Praxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2014. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19963-4 [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [7] Stadt Straßburg: L’écoquartier Danube. https://www.strasbourg.eu/eco-quartier-danube [zuletzt abgerufen: 28.10.2023]
- [8] Mamies Gâteaux - https://mamiesgateaux.fr/association [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [9] La Maison Citoyenne https://www.maison-citoyenne.org/ [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [10] Seyfang, Gill und Smith, Adrian: Grassroots innovations for sustainable development: Towards a new research and policy agenda. Band 16, Ausgabe 4, S. 584-603. Environmental Politics, 2007. https://doi.org/10.1080/09644010701419121[zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [11] Smith, Adrian, Stirling, Andy und Berkhout, Frans: The governance of sustainable socio-technical transitions. Band 34, Ausgabe 10, S. 1491-1510. Research Policy, 2005. https://doi.org/10.1016/j.respol.2005.07.005 [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]
- [12] Gorbach, Johannes: Soziale Dimensionen der Wohnraumschaffung und Soziale Arbeit: Handlungsfeldanalyse professioneller Begleitung von Nachverdichtungsprozessen in Wien. Band 23, S. 109-124. Junge Wissenschaft, 2020, https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/663/1197 [zuletzt abgerufen: 31.10.2023]